Am 24./25.3.2022 fanden die 6. Berliner Konzessionsrechtstage an der Freien Universität Berlin statt. Die Tagung wird von Professor Dr. Thorsten Siegel (Freie Universität Berlin) und Fachanwalt für Vergaberecht und für Verwaltungsrecht Dr. Christian Braun (Braun & Zwetkow Rechtsanwälte, Leipzig) in Zusammenarbeit mit der NZBau ausgerichtet und behandelt aktuelle sowie praxisnahe Fragen des Konzessionsvergaberechts.
Die Berliner Konzessionsrechtstage kehrten in diesem Jahr zu ihrem herkömmlichen Format als zweitägige Veranstaltung im März zurück. Dabei war es den rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Wissenschaft, Richterschaft, Anwaltschaft und Verwaltung wegen der Ausrichtung als „Hybrid-Veranstaltung“ möglich, digital an der Tagung teilzunehmen und sich mit Wortbeiträgen an den Diskussionsrunden einzubringen. Die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer entschied sich jedoch dafür, die Tagung vor Ort im Ambiente des Akademischen Senatsaals der Freien Universität Berlin zu bestreiten. In den Kaffeepausen und bei dem Konzessionsrechtsessen am Abend des ersten Veranstaltungstags bot sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zudem die Gelegenheit, das Tagungsprogramm inhaltlich zu vertiefen und sich bei Speis und Trank auszutauschen.
Seiner bewährten Struktur folgend widmete sich der erste Veranstaltungstag vorrangig den allgemeinen Fragen der Konzessionsvergabe, um sich am zweiten Tag auf die Fragen der Konzessionsvergabe in besonderen Bereichen zu konzentrieren. In diesem Sinne eröffnete nach der Begrüßung und Einführung der Veranstalter der Vorsitzende der VK Südbayern Matthias Steck mit seinem Vortrag zur aktuellen Spruchpraxis zur (Konzessions-)Vergabe die Tagung. Anhand verschiedener Entscheidungen der Vergabenachprüfungsinstanzen referierte er zu Abgrenzungsschwierigkeiten von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen am Beispiel des ÖPNV und Betreiberverträgen für Kindergärten, der in Bayern besonders zu behandelnden Bereichsausnahme für die Ausschreibung von Rettungsdienstleistungen sowie der Vergleichbarkeit von Referenzen und der Abgrenzung von Eignungs- und Zuschlagskriterien. Seinen Vortrag schloss Steck mit einem Fall zur eVergabe, in dem es für den Ausschluss eines Bieterangebots darauf ankam, ob die Angebotsunterlagen fristwahrend auf dem Webserver der Vergabeplattform eingehen, oder für den Auftraggeber im Vergabeportal abrufbar sein müssen.
Den Anschluss bereitete Rechtsanwalt Dr. Alexander Herrmann (ALHR Rechtsanwälte und Steuerberater, München) mit seinem Vortrag zu Chancen und Risiken von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen für öffentliche Auftraggeber. Nach einer Einführung in die verwaltungsrechtliche Dogmatik zu den administrativen Entscheidungsspielräumen konzentrierte sich Dr. Herrmann auf dessen Übertragbarkeit in das Vergaberecht. Anhand verschiedener Einzelfälle skizzierte er insbesondere den Umgang der Vergabenachprüfungsinstanzen mit den vergaberechtlichen Entscheidungsspielräumen und entwickelte daran anknüpfend Lösungsansätze für dessen Bewältigung, etwa durch eine einheitliche Maßstabsbildung bei der nachträglichen Kontrolle.
Den ersten Tag beschloss Dr. Nikolas Eisentraut, Berlin, mit seinem Vortrag zu Rekommunalisierung und Vergaberecht. Er widmete sich zentral der Frage nach der vergaberechtlichen Relevanz der Rekommunalisierung und differenzierte dabei zwischen den Vergaberechtsregimen des Kartellvergaberechts, der VO (EG) 1370/2007 (ÖPNV-Verordnung) und § 46 EnWG (Wegenutzungsverträge): Je nach dem anwendbaren Vergaberechtsregime bestünden unterschiedlich weite Spielräume der öffentlichen Auftraggeber, um vergaberechtsfrei eine Rekommunalisierung durchzuführen. Abschließend referierte er zu primär- und verfassungsrechtlichen Grenzen für die Durchführung einer vergabewettbewerblich strukturierten Rekommunalisierung.
Den zweiten Tag eröffnete Mitveranstalter Professor Dr. Thorsten Siegel, Freie Universität Berlin, mit seinem Vortrag zu neuen Zielen im Vergaberecht. Im Sinne der zunehmenden Öffnung des Vergaberechts richtete er seinen Blick auf jüngere gesetzgeberische Aktivitäten, namentlich das Gesetz zur Beschaffung sauberer Fahrzeuge (SFBG), das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sowie das Klimaschutzgesetz des Bundes (KSG), und beleuchtete die Auswirkungen auf das geltende (Konzessions-)Vergaberecht. Dabei stand das Berücksichtigungsgebot des § 13 KSG im Mittelpunkt des Vortrags, welches nicht nur verschiedene rechtliche Fragen aufwirft, sondern auch in der Praxis Umsetzungsschwierigkeiten bereitet. Gerade diesen Schwierigkeiten soll die AVV Klima begegnen, über die Benjamin Boldt (BMWK) im unmittelbaren Anschluss referierte. Nach einer kurzen Einleitung über die zunehmende Bedeutung der nachhaltigen Beschaffung im Vergaberecht und dem Vorlauf der AVV Klima, widmete er sich einzelnen Aspekten der AVV Klima, insbesondere dem dort verankerten CO2- Schattenpreis. Abschließend gab der Referent einen Ausblick auf mögliche Folgeprozesse, die einerseits durch die AVV Klima selbst angestoßen werden und andererseits im Koalitionsvertrag vorgesehen sind.
Im Anschluss folgte ein Vortrag von Rechtsanwältin Dr. Desiree Jung, Frechen, zum Thema „Absurditäten der Rechtsprechung zu Strom- und Gaskonzessionsvergaben“. Die Referentin be- richtete von einzelnen Gerichtsentscheidungen, in denen sich Unsicherheiten der Rechtsprechung bei der Kontrolle von Strom- und Gaskonzessionsvergaben zeigten. Der Vortrag endete daher auch mit der Frage, ob mit der Zuweisung der Streitigkeiten über Strom- und Gaskonzessionsvergaben zu den Zivilgerichten der richtige Rechtsweg gewählt wurde.
Die Tagung beschloss Mitveranstalter Dr. Christian Braun mit einer Aktuellen Stunde zu Bürokratie und schnellen Vergaben, in der diskutiert wurde, ob das Vergaberecht die notwendige Flexibilität besitzt, um in Krisenzeiten schnelle Beschaffungen zu ermöglichen, oder nicht vielmehr der Überregulierung sowie der damit verbundenen Bürokratisierung unterliegt.
Die 6. Berliner Konzessionsrechtstage behandelten auch in diesem Jahr wieder aktuelle und spannende Themen des Konzessionsvergaberechts, die mit angeregten und lebhaften Diskussionen verbunden waren. Mit Spannung werden daher bereits jetzt die 7. Berliner Konzessionsrechtstage im März 2023 erwartet.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Finn Knoblauch
Lehrstuhl Prof. Dr. Thorsten Siegel, Freie Universität Berlin
Die Tagung wurde veranstaltet in Kooperation mit der